4. LANDESGERICHT:
DER „SALZBURGER EICHMANN“
Hermann Julius Höfle war als SS-Obersturmbannführer maßgeblich an der Ermordung von rund zwei Millionen Juden in Polen beteiligt und nahm selbst an Massenerschießungen teil. Die Verbrechen Höfles werden in Fachkreisen mit jenen Adolf Eichmanns gleichgesetzt, doch die österreichische nachkriegsjustiz setzte wenig daran, ihn zur Verantwortung zu ziehen. Er tauchte nach 1945 unter und betrieb in seiner Heimatstadt Salzburg unbehelligt ein Taxiunternehmen. 1961 wurde er schließlich verhaftet, beging aber vor Beginn des Prozesses 1962 Selbstmord.
Höfle, 1911 in Salzburg geboren und aufgewachsen, trat 1933 der NSDAP und der SS bei. Wegen seiner NS-Aktivitäten musste er während der Zeit des Austrofaschismus Haftstrafen verbüßen. Nach dem „Anschluss“ Österreichs machte Höfle schnell Karriere und übernahm in der Salzburger Hubert-Sattler-Gasse eine „arisierte“ Wohnung. Adolf Eichmann erkannte das „Potenzial“ des SS-Mannes und empfahl ihn als Mitarbeiter für den Wiener Gauleiter Odilo Globocnik. Höfle besuchte die SS-Führerschule in München-Dachau. 1940 folgte Höfle Globocnik nach Polen und arbeitete sich zu dessen „Judenreferenten“ hoch. Er koordinierte unter anderem die Aktionen „Reinhardt“ und „Erntefest“ in den jüdischen Ghettos und die Transporte in die Vernichtungslager sowie die Verwertung des Eigentums der Opfer. Arbeitsfähige Juden ließ er in Zwangsarbeitslager bringen, wo sie unter seiner Anleitung ermordet wurden. Der Zeithistoriker Winfried Garscha stellt fest, dass Höfle an „der Ermordung von über zwei Mio. Juden in Ostpolen zwischen März 1942 und Ende 1943“ und damit „unmittelbarer an den monströsen Verbrechen beteiligt war“ als Adolf Eichmann. 1944 wurde Höfle zum SS-Totenkopf-Wachbataillon im KZ Sachsenhausen versetzt und erhielt das Kriegsverdienstkreuz 1. Klasse und das Eiserne Kreuz 2. Klasse.

Nach dem Zusammenbruch des Dritten Reiches nahmen britische Truppen Ende Mai 1945 Hermann Julius Höfle auf einer Alm am Weißensee in Kärnten, wo er sich mit Odilo Globocnik und anderen mutmaßlichen Massenmördern der SS versteckt hielt, fest und überstellten ihn in das Internierungslager Wolfsberg. 1947 übernahm die österreichische Justiz den Fall und ließ Höfle auf Gelöbnis frei. Er begann ein neues Leben in seiner Heimatstadt Salzburg, floh ein Jahr später nach Italien, da Polen seine Auslieferung als Kriegsverbrecher beantragt hatte. In Italien lebte er bis 1951 unter falschem Namen, kehrte nach Salzburg zurück, übersiedelte nach Deutschland, wo er kurzzeitig als Informant des US-Militärgeheimdienstes (CIC) tätig war, und landete schließlich wieder in Salzburg. 1956 nahmen die österreichischen Behörden weitere Ermittlungen gegen den Automechaniker und Taxiunternehmer auf, die ohne Ergebnisse blieben, obwohl zu diesem Zeitpunkt bereits Dokumente zu den Verbrechen Höfles vorlagen. Die Entführung Adolf Eichmanns 1960 durch den israelischen Geheimdienst in Argentinien hatte unmittelbare Auswirkungen auf Hermann Julius Höfle. Eichmann erzählte bereitwillig Details über die Organisation der Ermordung von Millionen Juden und der Beteiligung Höfles. Nachdem Justizminister Christian Broda von israelischen und deutschen Behörden über erdrückende Beweise informiert worden war, musste er handeln. Am 31. Januar 1961 wurde Höfle in das Gefangenenhaus Salzburg eingeliefert. Zeitungen berichteten über den „kleinen Eichmann-Prozess“, der nun in Vorbereitung wäre. Doch die Justiz verzögerte das Verfahren, es kam nie zu einer Verhandlung. Der Staatsanwalt erlitt einen Nervenzusammenbruch. Höfle wurde nach Wien überstellt. Dort beging der „Salzburger Eichmann“ im August 1962 Selbstmord. (sr)

Literaturtipp:
Winfried Garscha: Das Scheitern des „kleinen Eichmann-Prozesses“ in Österreich, auf: http://www.nachkriegsjustiz.at/prozesse/geschworeneng/hoefle.php

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