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Gegenüber von Gasthaus und Hotel Friesacher an der
Straße Richtung Salzburg befindet sich ein unscheinbar
wirkender Gedenkstein. Dieser wurde 1937 von der
Familie Friesacher in Erinnerung an eine sogenannte
„Thingstätte“ (ein Ort für altgermanische Volks- und
Gerichtsversammlungen) errichtet. Eingebettet in den
Germanenkult der Nazis, entstanden bereits vor Beginn
des Dritten Reichs solche „Thingstätten“. Und in Anif
gab es schon Anfang der 1930er-Jahre sehr aktive
„Kämpfer für die Idee des Führers“, die nach 1938 rasch
Karriere Machten. |
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Seit Anfang der 1930er-Jahre kontrollierten die Nationalsozialisten
zunehmend die Salzburger Lokalpolitik, so auch in Anif.
Im April 1933 erklärte die Gemeinde Adolf Hitler zum Ehrenbürger,
die Bezirkshauptmannschaft hob diesen Beschluss jedoch wieder
auf. An der Spitze der „Kämpfer“ stand seit 1931 Michael Friesacher,
dessen Bauernhof und Gasthaus ein „Treffpunkt der illegalen
Kämpfer“ war, wie die „Salzburger Landeszeitung“ anlässlich der
Bestellung Friesachers zum „Landesbauernführer“ im November
1942 berichtete. Auch Schulleiter Ferdinand Kohlbacher und
der in Hellbrunn geborene Brauchtumspfleger Kuno Brandauer
bemühten sich eifrig um die Verbreitung dieser „Ideen“. Friesacher
wurde im Februar 1934 gemeinsam mit anderen illegalen Nazis
verhaftet und in das Anhaltelager Kaisersteinbruch in Niederösterreich
überstellt. Als die Anifer von der Verhaftung erfuhren, kam
es zu Ausschreitungen. Demonstranten forderten vor dem Gendarmerieposten
die Freilassung Friesachers, zogen weiter zur Villa
des Schriftstellers Joseph August Lux, dem man die Schuld an der
Festnahme Friesachers gab, und zertrümmerten dort Fenster. Nach
dem gescheiterten NS-Putsch im Juli 1934 flüchteten illegale Nazis
aus Anif und Grödig über das Untersberg- und Rossfeldgebiet nach
Deutschland.
Nach dem „Anschluss“ machten Michael Friesacher und andere
„Mitkämpfer“ rasch Karriere. Friesacher wurde zunächst „Kreisbauernführer“,
dann „Leiter des Gauamts für das Landvolk“ und
damit „engster Mitarbeiter des Gauleiters in agrarpolitischen und
Bauerntumsfragen“ und schließlich „Landesbauernführer“, wie
aus zeitgenössischen Presseberichten bekannt ist. Kuno Brandauer
arbeitete ab 1938 als offizieller „Brauchtumspfleger“ im Reichsgau
Salzburg. „Deutsche Volkskultur“ und „echte Volksmusik“ spielten
eine zentrale Rolle in dieser Propaganda. „Vergessen“ wurde, dass
Volksmusik seit dem ausgehenden Mittelalter oft auch subversiven
Charakter hatte. Sie war aufmüpfig, sexuell anzüglich und verherrlichte
vieles, nur nicht die Obrigkeit. Doch nun standen Brauchtum
und Volkskultur im Dienste der NS-Diktatur. „Die beste Waffe gegen
das jüdische Gift“, formulierte der „Volksliedpfleger“ Tobias Reiser
sen. 1941, „ist das Heimatbrauchtum“. Reiser sen. war seit Jahren mit
Brandauer und Friesacher bekannt, der ihn der Gauleitung empfahl.
Gauleiter Gustav-Adolf Scheel, der Lehrer, Schriftsteller und NS-Ideologe
Karl Springenschmid sowie Brandauer gründeten 1942 das
„Heimatwerk“, eine Dachorganisation für alle Bereiche der „Volkskultur“.
Nach 1945 lebte die „Volkskultur“ in einem eigenen Ressort
der Landesregierung, im „Salzburger Adventsingen“ und im „Salzburger
Heimatwerk“, wo heute hochwertige Handwerksprodukte
und Trachten verkauft werden, weiter. Brandauer, Reiser und Springenschmid
mischten nach erfolgreicher „Entnazifizierung“ wieder
tatkräftig bei der Erhaltung des „Salzburger Brauchtums“ mit.
Zurück zum Anifer Alltag unterm Hakenkreuz: Joseph August
Lux wurde von der Gestapo als „klerikal-austrofaschistischer“
Schriftsteller verhaftet und mit dem ersten „Prominententransport“
nach Dachau deportiert. Nach seiner Freilassung aus dem KZ erhielt
er Publikationsverbot. Die Gemeinde Anif mit Bürgermeister Franz
Eibl bewarb sich um die „arisierte“ Villa Hungaria von Lola und
Adolf Kriegel. Auch an der Villa der seit 1919 in Anif lebenden
Künstlerin Helene von Taussig zeigte sich die Gemeinde interessiert.
Die Gestapo zwang Taussig, ihr gesamtes Hab und Gut zurückzulassen
und nach Wien zu übersiedeln. Sie weigerte sich allerdings
bis zuletzt, einem Verkauf zuzustimmen. Die Gemeinde Anif und
„verdiente“ NS-Funktionäre stritten sich um die Liegenschaft, bis
nach zahlreichen Interventionen der Schwiegervater des Kunsträubers
Kajetan Mühlmann den Zuschlag erhielt. Helene von Taussig
erlebte die Befreiung nicht mehr, sie war 1942 nach Izbica deportiert
und ermordet worden. 2002 widmete das „Salzburg Museum“
der Künstlerin eine Ausstellung. (sr) |
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Ernst Hanisch: Gau der guten Nerven – Die nationalsozialistische Herrschaft
in Salzburg 1938–1945. Salzburg, München 1997.
Heinz Dopsch, Ewald Hiebl (Hg.): Anif. Kultur, Geschichte und Wirtschaft
von Anif, Niederalm und Neu-Anif. Anif 2003.
Roland Floimair (Hg.): Von der Monarchie bis zum Anschluss – Ein
Lesebuch zur Geschichte. Salzburg 1993.
Albert Lichtblau: „Arisierungen“, beschlagnahmte Vermögen, Rückstellungen
und Entschädigungen in Salzburg. Wien, München 2004.
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