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Hermann Göring nahm im Mai 1938 den Spatenstich für
eines der größten Prestigeprojekte der NS-Zeit vor. Auf
der Baustelle des Kraftwerks Kaprun kamen Tausende
Kriegsgefangene, Fremd- und Zwangsarbeiter zum Einsatz.
Auch Todesfälle gab es bei der von Göring
ausgerufenen „Arbeitsschlacht“. Die Fertigstellung des
Kraftwerks zog sich bis 1955 hin und wurde zum
Symbol des Wiederaufbaus in Österreich. Heute besuchen
rund 200.000 Einheimische und Touristen jährlich
das Kraftwerk in den Hohen Tauern. |
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Am 16. Mai 1938 bejubelten rund 300 Schaulustige den Spatenstich
zum Bau des Kraftwerks Kaprun, den Göring allerdings
an einer falschen Stelle vornahm. Da es noch keinen konkreten
Bauplan gab, fand die von Erzbischof Sigismund Waitz gesegnete
Feier rund drei Kilometer vom heutigen Standort des Krafthauses
statt. Ideen zu Kraftwerksbauten in den Hohen Tauern gab es
bereits in der Zwischenkriegszeit, doch blieben sie in der Entwicklungsphase
stecken. Erst die Nationalsozialisten griffen die Pläne
wieder auf – das Deutsche Reich wollte die Energiereserven in der
„Ostmark“ für die Kriegs- und Rüstungswirtschaft nutzen. Neben
Kaprun sollten in Matrei, im Felbertal und im Stubachtal weitere
Kraftwerke entstehen.
Die vom Generalfeldmarschall ausgerufene „Arbeitsschlacht“
konnte beginnen. Die Alpenelektrowerke AG (AEW) gründete
die Tauernkraftwerke, diese errichteten unter der Leitung langgedienter
NS-Funktionäre mehrere Lager für ca. 2000 Arbeiter am
Mooser- und am Wasserfallboden, neue Wege und Seilbahnen.
Die geplante Bauzeit betrug zehn Jahre. Zunächst kamen Freiwillige
zum Einsatz, doch der kriegsbedingte Arbeitskräftemangel
verzögerte die Arbeiten. Also griffen AEW und Tauernkraftwerke
auf „Fremdarbeiter“ und Kriegsgefangene zurück. Slowaken,
Kroaten, Ungarn und Italiener kamen anfangs freiwillig, Franzosen
und Belgier mussten (zum Teil als Kriegsgefangene) unter Zwang
arbeiten. Im Küchendienst waren vereinzelt auch weibliche Zwangsarbeiterinnen
tätig. Als „Untermenschen“ galten die sogenannten
„Ostarbeiter“ und Kriegsgefangenen aus Polen, der Ukraine und
der Sowjetunion, sie wurden dementsprechend behandelt und
hausten in mit Stacheldraht umzäunten Baracken. Die Pfarrchronik
Kaprun vermerkte 1943, dass rund 4000 Kriegsgefangene auf der
Baustelle arbeiteten. Auch einige wenige jüdische Zwangsarbeiter
waren hier.
Die „Arbeitsschlacht“ in Kaprun ging indessen weiter und
forderte zahlreiche Todesopfer. Lawinenabgänge, Steinschlag,
Sprengungsarbeiten, schlechter körperlicher Zustand und mangelhafte
Ausrüstung der Arbeiter (u. a. Holzschuhe im Winter) führten
zu schweren Unfällen. Als Ablenkung für „fremdvölkische“ Arbeiter
sollte in der Nähe von Zell am See ein Bordell mit „fremdvölkischen“
Prostituierten entstehen. Doch mit Kriegsverlauf galt dieses Projekt
nicht mehr als vorrangig. Im November 1944 feierten die Kraftwerksbetreiber
noch die Inbetriebnahme des Tagesspeichers auf
dem Wasserfallboden und des Laufwerks, die Bauarbeiten mussten
jedoch im „totalen Krieg“ eingestellt werden.
Als die US Army Kaprun erreichte, stellte sie die AEW und das
Kraftwerk unter öffentliche Verwaltung, verhaftete die NS-Führung
der Tauernkraftwerke und internierte diese in Glasenbach. 1946
übergab die US-Militärregierung die Tauernkraftwerke in treuhändische
österreichische Verwaltung, 1947 übernahm die neu
gegründete Tauernkraftwerke AG (TKW) das Kraftwerksprojekt.
Die US Army stellte großzügig finanzielle Mittel aus dem European
Recovery Program (ERP) zur Verfügung. Ehemalige Zwangsarbeiter,
heimgekehrte Soldaten, als „belastet“ eingestufte Nationalsozialisten,
Kriminelle und jüdische Überlebende schufteten bis zur
Fertigstellung des Kraftwerks im Jahr 1955. Kaprun-Romane („Die
Männer von Kaprun“, „Hoch über Kaprun“) und -Filme („Das Lied
von Kaprun“, „Weißes Gold“) blendeten NS-Zwangsarbeit aus und
idealisierten den Arbeitskampf der Nachkriegszeit. Kaprun wurde
als Symbol des Wiederaufbaus und des Arbeitswillens im neu
erstandenen Österreich schlechthin gefeiert und prägt das Österreichbewusstsein
bis heute. (sr) |
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Margit Reiter: Das Tauernkraftwerk Kaprun, in: Oliver Rathkolb,
Florian Freund (Hg.): NS-Zwangsarbeit in der Elektrizitätswirtschaft der „Ostmark“ 1938–1945. Wien, Köln, Weimar 2002, S. 127–198.
Clemens Hutter: Kaprun. Tauernstrom und Nationalpark. Salzburg
1998.
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