1. STAATSBRÜCKE:
MIT DEM BLUT DER ENTRECHTETEN ERBAUT
Die 1949 feierlich eingeweihte Salzburger Staatsbrücke verbindet Alt- mit Neustadt, ist zentraler Verkehrsknotenpunkt und beliebtes Fotomotiv für Touristen. Zur Festspielzeit im Sommer und zur Weihnachtszeit präsentiert sie sich festlich geschmückt. Seit 2007 erinnert eine Gedenktafel an die „Fremd“- und Zwangsarbeiter, die hier zwischen 1941 und 1945 unter unwürdigen Bedingungen arbeiten mussten.
Thomas Bernhard erinnerte sich in „Die Ursache“ an die beim Brückenbau eingesetzten Zwangsarbeiter: „Eine hölzerne Notbrücke ersetzte die schon lange abgetragene alte Staatsbrücke (…) und auf dieser größten Baustelle in der Stadt sehe ich noch die in grauschmutzigen abgesteppten Kleidern an den Brückenpfeilern hängenden russischen Kriegsgefangenen als Zwangsarbeiter, ausgehungert und von rücksichtslosen Tiefbauingenieuren und Polieren zur Arbeit angetrieben; viele von diesen Russen sollen entkräftet in die Salzach gefallen und abgetrieben sein.“

Seit Anfang des 20. Jahrhunderts gab es mehrere Entwürfe zum Brückenneubau, da die aus dem Jahr 1877 stammende Brücke der zunehmenden Belastung nicht mehr standhielt, doch die Ministerien in Wien und die Stadt Salzburg konnten sich nicht über die Kostenaufteilung einigen. Die Nationalsozialisten nahmen das Projekt neuerlich in Angriff und errichteten 1940 eine Notbrücke. 1941 begann der Bau der neuen Brücke; anfangs arbeiteten freiwillige „Fremdarbeiter“ aus Italien, Ungarn und der Tschechoslowakei. Doch der zunehmende Arbeitskräftemangel führte zur Einsetzung von jugoslawischen Zwangsarbeitern und französischen Kriegsgefangenen. Diese lebten in behelfsmäßig errichteten Baracken im Volksgarten. Ab 1942 schufteten auch sowjetische Kriegsgefangene auf der Baustelle, die als „rassisch minderwertig“ galten und bei Versorgung und Unterkunft wesentlich schlechter gestellt waren als die übrigen Zwangsarbeiter. Nach dem Sturz Mussolinis in Italien 1943 galten die bisher privilegierten italienischen Arbeiter ebenfalls als Zwangsarbeiter. Alle „fremdvölkischen“ Arbeiter mussten Abzeichen tragen, sie hatten Ausgehverbot und durften bei Fliegeralarm keine Luftschutzkeller benutzen.

Im Frühjahr 1944 fand die erste Belastungsprobe der neuen Brücke statt. Im Juni dieses Jahres arbeiteten 259 Arbeiter an der Dr.-Todt-Brücke, wie die Staatsbrücke damals nach dem 1942 verstorbenen Rüstungsminister hieß. Als im Herbst 1944 die Luftangriffe auf Salzburg begannen, wurden die Zwangsarbeiter zur Beseitigung von Fliegerschäden und bei der Entschärfung von Bomben eingesetzt, was manchen von ihnen das Leben kostete. Die SS erschoss noch kurz vor der Befreiung einige Arbeiter, die zu flüchten versuchten. Nach dem Einmarsch der US Army erhielten die Zwangsarbeiter den Status von „Displaced Persons“. Viele von ihnen kehrten wieder in ihre ehemaligen Heimatländer zurück, manche blieben in Österreich, fanden Arbeit und gründeten hier eine Familie.

Bei der feierlichen Eröffnung und Einweihung der Staatsbrücke im Juli 1949 fanden die Fremd- und Zwangsarbeiter mit keinem Wort Erwähnung. Die 1941 beim Halleiner Bildhauer Jakob Adlhart in Auftrag gegebenen und für die Brücke bestimmten Löwendenkmäler wurden nach längerer Diskussion nicht in Salzburg aufgestellt, sondern kamen nach Linz und sind dort noch heute am Hauptbahnhof zu bewundern. Im November 1994 machte der Münchner Künstler Wolfram Kastner auf die Geschichte der Staatsbrücke aufmerksam und versenkte ein „unsichtbares Denkmal“ mit dem oben erwähnten Zitat von Thomas Bernhard und einer Skizze für ein mögliches Denkmal. Im Oktober 2007 war es endlich so weit: Die Stadt Salzburg brachte eine Gedenktafel an, auf der zu lesen ist: „Zum Gedenken an die hunderten Kriegsgefangenen und Zwangsarbeiter, die von 1941 bis 1945 gegen ihren Willen und unter großen Opfern an der Errichtung dieser Brücke arbeiten mussten – die Stadt Salzburg aus Anlass der Brückensanierung 2007.“ (sr)

Literaturtipps:
Sabine Jahn: Gerne vergessen? Der Neubau der Staatsbrücke durch Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene 1940–1945, in: Helga Embacher, Ernst Fürlinger, Josef P. Mautner (Hg.): Salzburg Blicke. Salzburg, Wien 1999, S. 111–113.

Oskar Dohle, Nicole Slupetzky: Arbeiter für den Endsieg. Zwangsarbeit im Reichsgau Salzburg 1939–1945. Wien, Köln, Weimar 2004.

 
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