2. RESIDENZPLATZ:
GEIST IM FEUER
„Dort wo man Bücher verbrennt, verbrennt man auch am Ende Menschen“, schrieb Heinrich Heine. In Salzburg taten sich nationalsozialistische Eiferer besonders hervor und inszenierten im April 1938 die einzige Bücherverbrennung der „Ostmark“ – die beklemmendste Art, Meinungsfreiheit auszulöschen. In rituellen „Feuersprüchen“ wurden Bücher von jüdischen Autoren wie Stefan Zweig, aber auch katholischer Schriftsteller wie Joseph August Lux ins Feuer geworfen.
Der Schauplatz des spektakulären Geschehens, der Residenzplatz, entstand 1587 nach dem Abriss zahlreicher Bürgerhäuser und eines Friedhofes unter Erzbischof Wolf Dietrich, der Salzburg nach italienischem Vorbild in ein „Rom des Nordens“ verwandeln wollte. Prunkstück des weitläufigen Platzes, der von Alter und Neuer Residenz und vom Dom eingegrenzt wird, ist der imposante mamorne Residenzbrunnen, der größte Barockbrunnen Mitteleuropas.

Gerne verschwiegen wird ein anderer, weniger schmeichelnder „Superlativ“: Auf dem Platz fand am 30. April 1938 die einzige Bücherverbrennung der „Ostmark“ statt. Dem barbarischen Akt waren schon die Autodafés in Deutschland im Mai und Juni 1933 vorangegangen. In Salzburg sahen sich der Landesschulrat und die Gauverwaltung des NS-Lehrerbundes bemüßigt, die Arbeiten von 48 auf den Verbotslisten stehenden Autoren aus den Bibliotheken und Schulbüchereien nicht nur zu entfernen, sondern auch noch öffentlich zu verbrennen. Wenig später wurden auch einige der verfemten Autoren selbst ausgelöscht – sie starben bei Verhören, in Konzentrationslagern, auf der Flucht oder aus Verzweiflung durch eigene Hand.

Die im Nazijargon als „Aktion wider den undeutschen Geist“ etikettierte Aktion wurde „zum Schutz von Volk und Staat“ unter der Anleitung des Lehrers und Leiters des Salzburger Schulwesens Karl Springenschmid durchgeführt. Springenschmid, der sich selbst gerne als Schriftsteller sah, war Mitglied der SA und SS (Hauptsturmführer), „Chefideologe“ der Salzburger Nazis und Reichsgauamtsleiter. Es brannten 1200 Bücher aus der Dollfußund Schuschnigg-Zeit, Bücher zu „klerikalen Zwecken“ wie die von Joseph August Lux und jene jüdischer Autoren wie Sigmund Freud, Franz Werfel, Arthur Schnitzler oder Stefan Zweig.

Das Feuergericht wurde, im Beisein von Lehrern, Schülern, Angehörigen des NS-Lehrerbundes, SS und SA, als „inquisitorischer Akt“ unter Abgabe von „Flammensprüchen“ inszeniert. Vor allem die verhetzte Jugend wurde dazu eingespannt, die Bücher zu sammeln, zu zerreißen und den „reinigenden Flammen“ zu überantworten: „Ins Feuer werfe ich das Buch des Juden Stefan Zweig, dass es die Flammen fressen wie alles jüdische Geschreibe. Frei erheb sich, geläutert, der deutsche Geist“. Gerade die Bücher jüdischer Autoren sollten für immer aus dem kollektiven Gedächtnis getilgt werden.

Springenschmid hielt sich nach dem Krieg sechs Jahre auf Almen versteckt und entzog sich als gesuchter Kriegsverbrecher seiner Verhaftung. In seiner Biografie „Der Waldgänger“ (1975) schwieg er zu seiner Karriere in der NS-Zeit. Zum österreichischen Wesen gehört, dass viele Politiker, darunter Landeshauptleute, ihm zu seinem 80. Geburtstag gratulierten. Sein Enkel Wolfgang Laserer schrieb 1987 eine beschönigende Biografie, die Springenschmid als Opfer zeichnete. So hätte nicht dieser, sondern der Gebietsführer der HJ vom Gauschulungszentrum Hohenwerfen das Fanal inszeniert.

1987 und 2007 fanden Gedenken an die Bücherverbrennung statt. Die Errichtung einer Gedenktafel oder eines Mahnmales war im sozialdemokratisch dominierten Gemeinderat lange Zeit umstritten. Erst 2008 entschied sich dieser dazu. Es gab aber keinen Architekturwettbewerb, und das Mahnmal darf nicht deutlich über Platzniveau hinausgehen, auf gut österreichisch: nicht auffallen. (cs)

Literaturtipp:
Gert Kerschbaumer: Faszination Drittes Reich – Kunst und Alltag der Kulturmetropole Salzburg. Salzburg 1988.

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