41. GASTEINER TAL

„DAS KONZENTRATIONSLAGER WARTET SCHON“
Salzburg hat viele Traditionen, ein Hang zum Antisemitismus gehört auch dazu. Der Antisemitenbund hetzte in der Zwischenkriegszeit gegen jüdische Gäste, die ihre Sommerfrische im Gasteiner Tal und anderen Tourismusorten verbrachten, und gegen im Salzburgerland ansässige Juden. In der Reichskristallnacht demolierten SA-Männer in Bad Gastein jüdische Geschäfte und Hotels. Genau 50 Jahre später löste die Weigerung eines Gasteiner Pensionsbesitzers, einen israelischen Gast aufzunehmen, einen internationalen Skandal aus.
Ein Landtagsabgeordneter der NSDAP bezeichnete Bad Gastein bereits 1919 als „Neupalästina“, da vor allem Juden aus Wien ihre Sommerfrische im Gasteiner Tal verbrachten. Der deutschvölkische Turnverein in Bad Gastein, 1899 als Turnverein Jahn gegründet, kämpfte für das „deutsche Volkstum“. 1929 zählte der Verein 400 Mitglieder im Ort, 1933 trat ein Großteil dieser der NSDAP bei. Auch der hiesige Alldeutsche Verband betonte in seinen Statuten, die Vorherrschaft der Juden brechen zu wollen. Nur der Alpenverein in Bad Gastein hatte bis 1938 keinen „Arierparagrafen“, obwohl leitende Funktionäre des Vereins illegale Nationalsozialisten waren.

In den 1930er-Jahren verschlechterte sich die Stimmung gegenüber Juden. Im Sommer 1932 verweigerte der Bürgermeister die weitere Beschäftigung dreier jüdischer Musiker im Orchester der Kurmusik. Ein Jahr später beschädigten SA- und SS-Männer jüdische Geschäfte, jüdische Gäste erhielten anonyme Drohbriefe: „Schauen Sie jüdische Sau, dass Sie bald verschwinden. Das Konzentrationslager wartet schon auf Sie.“ Nach der Machtübernahme der Nationalsozialisten in Österreich betrieben NS-Bürgermeister Josef Wörther, SA, SS und Gestapo in Bad Gastein die Enteignung und „Arisierung“ jüdischer Hotels, Villen und Geschäfte. Wörther drohte der Familie Kokisch, Juden aus Polen und Inhaber des Hotels Bristol sowie des ersten koscheren Restaurants im Salzburgerland, mit Repressionen, wenn sie Hotel und Thermalbad nicht „freiwillig“ verkaufen würden. Er würde „das Badewasser absperren“ lassen und damit eine Wertminderung des Hauses herbeiführen, erklärte er der Familie. Die Kokischs konnten in letzter Minute nach Chile ausreisen, das Hotel wurde zwangsversteigert und von der Polizeiverwaltung des Deutschen Reichs unter dem Namen „Haus Ostmark“ als Lazarett genutzt. Auch den als „Arbeiterarzt“ beliebten Juden Anton Wassing setzte die Gemeinde unter Druck, bis dieser sein Haus 1940 „verkaufte“. Es diente weiter als Erholungsheim. Ein Jahr später starb er in Wien, seine Frau wurde nach Theresienstadt deportiert und ermordet, nur die drei Söhne überlebten. In der Reichskristallnacht vom 9. auf den 10. November 1938 zerstörten SA-Männer jüdische Hotels und Geschäfte. Zu dieser Zeit lebten keine Juden mehr in Bad Gastein – einige hatten ins Ausland flüchten können, andere waren zwangsweise nach Wien übersiedelt worden.

Nach 1945 beschlagnahmten US-Truppen die „arisierten“ Gebäude und adaptierten sie als Unterkunft für jüdische Flüchtlinge. 1947 löste die US-Militärregierung nach Prosteten von Einheimischen die jüdischen Lager auf. Ab Ende der 1940er-Jahre reisten wieder jüdische Sommerfrischler nach Bad Gastein. Doch im „Gedenkjahr“ 1988 sollte die Sommerfrische-Idylle jäh gestört werden. Im Zuge der Waldheim-Debatte verweigerte die Familie Weghofer, Inhaber der Pension Charlotte, dem israelischen Staatsbürger Ammon Lev-Er die „Gastfreundschaft“, da die Anwesenheit eines Israelis ihrer Meinung nach „unerträglich“ wäre. Sie forderten Lev-Er auf, dieser möge sich „für die Verleumdungen und Beleidigungen unseres demokratisch gewählten Bundespräsidenten in Ihren zum Teil staatlichen Medien“ entschuldigen. Das Verhalten der Familie Weghofer löste einen internationalen Skandal aus. Bürgermeister und Kurverwaltung bemühten sich um Schadensbegrenzung, doch israelische Zeitungen griffen den Fall auf. Nur die Weghofers ließen sich nicht beirren und erhielten Unterstützung von anderen „Sympathisanten“. (sr)

LITERATURTIPPS:

Helga Embacher: Jüdische „Gäste“ im Gasteinertal nach 1945, in: Robert Kriechbaumer (Hg.): Der Geschmack der Vergänglichkeit. Jüdische Sommerfrische in Salzburg. Wien, Köln, Weimar 2002, S. 227–247.

Laurenz Krisch: Bad Gastein: Die Rolle des Antisemitismus in einer Fremdenverkehrsgemeinde während der Zwischenkriegszeit, in: Robert Kriechbaumer (Hg.): Der Geschmack der Vergänglichkeit. Jüdische Sommerfrische in Salzburg. Wien, Köln, Weimar 2002, S. 175–225.


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