42. GRAND HOTEL ZELL AM SEE

VERGESSENE UNIVERSITÄT DER AMERIKANER
Längst vergessen ist in Österreich, dass es in Salzburg einst eine amerikanische Universität gab. Die Befreier gründeten im Herbst 1945 in Zell am See die „Rainbow University“ für ihre Soldaten, von denen viele eben erst erwachsen geworden waren und nur die Schrecken des Krieges kannten. Sie hatten Ende April 1945 auch das Konzentrationslager Dachau befreit.
Dem landschaftlichen Zauber Salzburgs erlagen viele Amerikaner schon kurz nach Kriegsende. Soldaten, die wenige Tage oder Wochen zuvor noch die Leichenberge in den Konzentrationslagern der SS gesehen hatten, und die dann über das Innviertel als Erste nach Österreich kamen. Wenig später übernahm die „Rainbow Division“ (42nd Infantry) die „Entnazifierung“ und Demokratisierung der besetzten Gebiete im Land Salzburg und Oberösterreich. Ihre militärische Tradition reicht bis 1917 zurück, als junge Männer aus 26 US-Bundesstaaten zu einer eigenen Division zusammengefasst wurden, um in Europa im Ersten Weltkrieg gegen Deutschland zu kämpfen. Weil sie Soldaten aus vielen Teilen der USA vereinigte, wurde der Regenbogen das offizielle Divisionszeichen, das den amerikanischen Kontinent symbolisch überspannt. Die „Rainbow Division“ war die erste amerikanische Einheit, die in Europa kämpfte, 1918 auf französischem Boden. Mit dieser Tradition wurde sie im Sommer 1945 von ihrem neuen Standort in Cookson Hills (Oklahoma) in die Alpen verlegt.

Bereits im Sommer 1945 begannen Kommandeure der US-Armee in Zell am See mit dem Aufbau einer eigenen „Rainbow University“. 300 Offiziere und Spezialisten der Division bewarben sich um Professoren- und Dozentenposten der neuen Universität. In einem ersten Schritt wurde ein Lehrplan entworfen, der jungen Soldaten die regluäre Absolvierung eines College-Semesters bot. Dazu kamen Leichtathletik, Schwimmen, Tennis, American Football, Fußball, Skifahren, Klettern und Bergsteigen – ideal an einem Standort wie Zell am See, schon seit den 1920er-Jahren berühmt für Sommerfrische und Wintersport. Bereits im Herbst 1945, wenige Monate nach Kriegsende, begann der Studienbetrieb. Campus der „Rainbow University“ war das Grand Hotel direkt am See, dazu kamen vier Gebäude im Stadtgebiet, in denen unterrichtet wurde.

In einem späteren Grußwort schrieb Harry J. Collins, Kommandant der „Rainbow Division“, deren Hauptquartier sich in Salzburg-Stadt befand: Tausende junge Männer seien für den Einsatz im Krieg ausgebildet worden. Mit der gleichen Energie werde man sie nun für den Frieden trainieren – und zwar mit höherer Bildung zum Nutzen aller: „Unser Job endete nicht, als der Feind aufgab. Wir schulden unseren Männern eine gute Ausbildung, damit sie nach Ableistung ihres Dienstes möglichst gut im zivilen Leben Fuß fassen können. Die Männer der ,Rainbow‘ haben ihr Bestes gegeben, und wir müssen ihnen nun die Chance zum Studieren bieten. Auch im Interesse unseres Landes, damit es nach diesem furchtbaren Krieg viele Jahre des Friedens und des Wohlstands vor sich haben möge.“ Angeboten wurden zahlreiche Disziplinen aus Geistes- und Naturwissenschaften, Technik und Ingenieurwesen. Es gab auch Kurse für Soldaten ohne Matura (Abitur), damit diese einen High-School-Abschluss für die Hochschulreife nachmachen konnten; anerkannt später auch bei der Rückkehr in die USA.

Am 12. Oktober 1945 erschien die erste Ausgabe der neuen Universitätszeitung von Zell am See „Pad & Pencil“. Das Geologie- Institut werde im Gebiet des Großglockners bald ein eigenes Laboratorium einrichten – schrieb Chefredakteur Captain Ray Frazer –, geleitet von Robert A. Harris, einem Offizier der „Rainbow“. Dieser hatte als Geologe vor dem Krieg schon in Alaska, Kanada, Mexiko, England, Schottland, Frankreich, Deutschland und Österreich geforscht. In „Pad & Pencil“ wurden auch die vielfältigen Möglichkeiten für die Freizeitgestaltung in der Region am Fuß der Hohen Tauern vorgestellt. Dazu kamen Berichte über die Tradition von Zell am See als Urlaubsort, mit vielen prominenten Gästen im 19. und 20. Jahrhundert. Weiters bekamen die Leser Informationen zum Lehrbetrieb. Natürlich bildete Sport einen großen Schwerpunkt, immerhin gab es zahlreiche Mannschaften verschiedenster Disziplinen innerhalb der US-Armee, die im Land Salzburg auf verschiedene Standorte verteilt waren.

Auf Seite vier der ersten Ausgabe erschien ein besonders wichtiger Hinweis für junge Soldaten. Es wurde auf eine Neigung einheimischer Frauen hingewiesen, die man ganz sicher nicht zu Liebe oder Heirat überreden könne, wenn man als Stubenhocker auf dem Teppich vor ihnen kniee. Wer die Gunst einer Gebirglerin erlangen wolle, müsse es einheimischen Jungmännern nachmachen und im Gebirge aus gefährlichem Terrain ein Edelweiß mitbringen: „Austrian Frauleins Make their Lovers Climb Mountains Yet“, lautete die Schlagzeile.

Nach Auskunft von Zeitzeugen sowie früheren Studenten der „Rainbow University“, die heute hochbetagt in den USA leben, wurde der Lehrbetrieb Ende 1948 eingestellt. (gl)

LITERATURTIPPS:

Gerald Lehner: Vergessene Uni in den Alpen. Salzburger Nachrichten, Wochenend-Beilage, 23. Mai 2009.

Pad & Pencil, Zeitung der Rainbow University, September 1945. United States National Archives, College Park, Maryland, USA.

Ingrid Bauer: Welcome Ami Go Home. Die amerikanische Besatzung in Salzburg 1945–1955. Erinnerungslandschaften aus einem Oral-History- Projekt. Salzburg 1998.


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