58. AINRING BEI FREILASSING

TAKE-OFF IN DEN ZWEITEN WELTKRIEG
Hitlers „Rückzüge“ auf den Obersalzberg erforderten den oftmaligen Umzug der Spitzen der Nazi-Regierung in den kleinen Bergort an der Salzburger Grenze. Um die Regierungsgeschäfte weiterführen zu können, ließ der „Führer“ in Bischofswiesen eine zweite „Reichskanzlei“ bauen. Das 35 Kilometer entfernte Ainring wurde mit einem „Regierungsflughafen“ ausgestattet, auf dem in den letzten Kriegsmonaten Raketen und Flugzeugtechniken getestet wurden.
Neben der prunkvollen Reichskanzlei in Berlin ließ Hitler 1937 in dem Ort Stanggass bei Bischofswiesen eine zweite
Reichskanzlei bauen, um während seiner Aufenthalte auf dem Obersalzberg die Regierungsgeschäfte weiterführen zu können. Bis dahin war sein Stab in Pensionen und im Haus „Alexandra“ untergebracht, wo die Arbeitsmöglichkeiten eingeschränkt waren. Ab Juli 1937 war auch Bischofswiesen / Berchtesgaden eine Art Regierungsstadt. Zahlreiche Nebengebäude umgaben die großzügige Anlage. Eine 600 Meter lange Bunkeranlage führte bis zur Bahn nach Berchtesgaden. Wenn Hitler auf dem Berghof war, arbeitete Generalfeldmarschall Wilhelm Keitel hier. Hier residierte auch das Oberkommando der Wehrmacht. Nach dem Krieg übernahmen die Amerikaner die Kanzlei und installierten hier das Armed Forces Recreation Center. 1996 zog sich die US-Armee aus Berchtesgaden zurück. Der Bauunternehmer Johann Hölzl richtete im Jahr 2001 Wohnungen und Praxen ein.

Als Drehscheibe für die Flugverbindungen von und nach Berlin wählte Adolf Hitler persönlich nicht die bestehenden Flugplätze Reichenhall-Mayerhof oder Salzburg-Maxglan, sondern – aus der Luft – das Flugfeld Ainring aus. Der einstige repräsentative Regierungsflughafen „Reichenhall-Berchtesgaden“ lag nur zwei Kilometer von der Grenze zu Salzburg und drei Kilometer von Schloss Kleßheim entfernt. Im August 1933 ordnete Hitler den Bau des Flughafens an, ein gutes Jahr später wurden der alpenländisch angehauchte Protzbau und der Flugbetrieb eröffnet. Zur Anlage gehörten ein Leuchtturm auf dem Eschlberg und eine Lautsprecheranlage, mit der Propagandasprüche über die Saalach nach Österreich geschickt wurden. Die Anlage stellte mit 600.000 Quadratmeter den nahen Flugplatz Salzburg in den Schatten. Bald zog eine Luftwaffen-Staffel ein. 1939, wenige Tage vor Beginn des Zweiten Weltkriegs, flog Außenminister Ribbentrop von Ainring nach Moskau zur Unterzeichnung des „Nichtangriffspaktes“.

Auf dem Flugplatz wurden auch Neuentwicklungen in der Luftfahrt getestet. Im Juni 1940 zog die nach dem legendären Versuchsflieger Ernst Udet benannte DFS („Deutsche Forschungsstelle für Segelflug“) kriegsbedingt von Braunschweig in die Salzburger Grenzanrainergemeinde und testete den antriebslosen Me280, den Höhenaufklärer DFS228, den Prototyp der V-1 und diverse Raketenjäger. Ein Windkanal, Triebwerkteststände und physikalische Laboratorien standen zur Verfügung. Lastenabwürfe, Vereisungsforschungen, Hucke-pack-Verfahren, Personenabwurfbehälter, Stratosphärenflüge, revolutionäre neue Verfahren für Autopiloten und Fernseh-Blindlandeverfahren wurden erprobt. Im Mittelpunkt stand der Luftfahrtpionier Eugen Sänger, der in Ainring das Lorin-Staustrahlrohr („Ramjet“) weiterentwickelte, das er in verschiedene Bombertypen einbaute. Die Entwicklung des „Silbervogels“, eines Orbitalbombers, musste wegen des Krieges eingestellt werden. Die von Sänger entwickelte Raketentechnik findet sich heute z. B. im „Space Shuttle“ wieder. Die Fliegerin Hanna Reitsch testete einige der neuartigen Maschinen in Ainring. Unglücksfälle blieben nicht aus: Der eben von Hitler noch mit dem Ritterkreuz an Brillanten in Schloss Kleßheim ausgezeichnete Generaloberst Hans Hube startete am 20. April 1944 nachts bei schlechtem Wetter und zerschellte Sekunden später auf dem Högl bei Rabling. Er war einer der wichtigsten Generäle Hitlers. Vielleicht kostete ihm aber auch Sabotage – nach einer emotionalen Bemerkung Hitler gegenüber, die Lage im Osten betreffend – das Leben. Am 21. April 1945 landeten mit Ju-52-Transportflugzeugen die Reste der Reichsregierung in Ainring, um die „Alpenfestung“ zu verstärken. Anfang Mai flogen noch Teile des „Jagdgeschwaders 300“ Einsätze gegen die vorrückenden Amerikaner, die den Flughafen am 5. Mai kampflos besetzten. Zwei Fa223-Großhubschrauber, nun in der Hand der Amerikaner, nahmen ihren Flug über die Kanalküste auf – das war damals Weltrekord im Langstreckenflug. Die Maschinen wurden in die USA gebracht.

Die US Army wies in die Baracken des DFS jüdische „Displaced Persons“ und ehemalige KZ-Insassen ein, die Ende Dezember 1947 die Lager verließen. Da der Flugplatz wegen des Einspruches der Amerikaner nicht weiterbetrieben werden durfte, zog die Deutsche Polizeischule in das Areal ein. Heute zeugen nur noch das Flugleitungsgebäude „Führerhaus“, das einen eigenen Raum für den „Führer“, ein Restaurant, ein Terrassencafé und ein Schwimmbecken enthielt, das Wirtschaftsgebäude und das Peilerhäuschen von der Existenz des einstigen „Adolf-Hitler-Airports“. (cs)

LITERATURTIPPS:

Gunther Exner: Hitlers zweite Reichskanzlei. Köln 1999.


ERGÄNZENDES:

Frederic Müller Romminger betreibt ein Museum im ehemaligen Flughafen-Wirtschaftsgebäude. Gelegentliche Führungen nach Anmeldung beim Portier des Fortbildungsinstitutes der Bayerischen Polizei in Ainring. Ein Buch zur Geschichte des Ainringer Flugplatzes ist in Vorbereitung.


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